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Die Kunst des Wartens

Das RischArt Projekt widmet sich 2015 dem Warten.

„Warte-Zeit“ heißt das diesjährige RischArt Projekt, beim sich die teilnehmenden Künstler im Münchner Hauptbahnhof mit dem Thema Warten auf vielfältige Weise auseinandersetzen.

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Schreibstube von Matthias Beckmann I Foto: Monika Schreiner

Sommerzeit ist Reisezeit. Nur oft funktioniert das Vorankommen in dieser Jahreszeit nicht so ganz, wie man es sich vorstellt. Man steht mit dem Auto im „Urlaubs“stau oder hat grad den Zug verpaßt. Dann heißt es Warten. Und mit eben diesem Warten setzt sich das diesjährige RischArt Projekt Warte-Zeit im Münchner Hauptbahnhof auseinander. Zwei Wochen kann man zehn künstlerische Positionen zur „Warte-Zeit“ sehen, die über den ganzen Bahnhof verteilt sind. Manche der Installationen wird der Passant beim schnellen Vorbeihasten nicht sehen, denn ein Bahnhof ist auch ein Ort des geschäftigen Treibens. Aber es lohnt sich inne zu halten, vielleicht seinen eigentlichen Zug fahren zu lassen, um inspiriert in den nächsten einzusteigen. Will man auf keinen Fall mehr Warte-Zeit als nötig investieren, kann man sich am Infopunkt in der Haupthalle beraten lassen, welche Stationen sich für die einge Wartezeit lohnen. Dort befinden sich auch die ersten drei Kunstwerke. Aufgreifen möchte ich  die Schreibstube von Matthias Beckmann. In ihr kann man eine Postkarte des Künstlers ausmalen, läßt eine nette Dame  im Anschluss diese für einen schreiben und schickt sie einem lieben Menschen. Ganz wie in alten Zeiten, als es am Bahnhof noch Schreibstuben gab und Briefeschreiber noch ein Beruf war. Übrigens wurden die Postkartenschreiberinnen nach der Schönheit ihrer Handschrift gecastet. Meine Grüße sind inzwischen hofftentlich wohlbehalten in Stuttgart angekommen.

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Kiosk II von Doris Weinberger I Foto: Monika Schreiner

Um ganz andere Wünsche geht es der Künstlerin Doris Weinberger. An ihrem Kiosk II in der Querbahnsteighalle bietet sie den Vorübergehenden ein Tauschgeschäft an. Eigene Bedürnisse und Wünsche gegen die von anderen. So erhalte ich, nachdem ich meinen Wunsch in ein Mikrophon gesprochen habe, im Gegenzug eine Flaschenpost. Nahe der Gleise dreht auch Ute Heim ihre Runden. Zwischen 11:15 Uhr und 12:30 Uhr zieht sie einen Wagen hinter sich her und singt Sehnsuchtslieder in verschiedenen Sprachen. Warten, Hoffen, Vermissen. Schade nur, dass die Lieder im Lärm des Bahnhofs ein wenig untergehen.

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Zum „High Noon“ singt Ute Heim Sehnsuchtslieder I Foto: Monika Schreiner

Viele Sprachen gesprochen haben sicher auch die Gastarbeiter, die in den fünfziger Jahren angekommen sind. Ihnen sind gleich zwei Arbeiten gewidmet: Willi Dorners „Endstation Zukunft“ und Dörthe Bäumers „Warten an Gleis 11“. Hat der österreichische Künstler Dorner einen Dunkelraum im Untergrund des Bahnhofs eingerichtet, hat Dörthe Bäumer einige der Gepäckfächer zweckentfremdet. Sie lassen sich in dem Ausstellungszeitraum nicht benutzen.  In ihnen befinden sich alte Fotos von einigen den damals angekommenen Gastarbeitern. Sicher ein Überraschungsmoment für Reisende auf der Suche nach einem Ort, ihren Koffer zu deponieren. Genauso wie das Gepäck nur kurze Zeit im Gepäckfach lagert, warteten die Menschen, praktisch auf der „Durchreise“, auf ihre Zukunft irgendwo in Deutschland.

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„Warten an Gleis 11“ von Dörthe Bäumer: Erinnerungen statt Gepäck I Foto: Monika Schreiner

Am besten hat mir aber die Installation „Zeitfenster“ von Franziska und Sophia Hoffmann gefallen. Die beiden Dresdner Künstlerinnen nehmen sich in ihren Arbeiten ausrangierten Gegenständen an. So haben sie im Zuge der Umstellung auf moderne Technik mehrere Uhren von der Bahn bekommen, welche sie auf der Galerie (neben des Wartesaals) ausstellen. Diese Anhäufung von Uhren gibt ein surreales Bild, vor allem da sie alle anders gehen. Sie stehen sinnbildlich für unser Zeitempfinden, denn alle Menschen nehmen Zeit unterschiedlich wahr.

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Zeitfenster von Franizska und Sophia Hoffmann I Foto: Monika Schreiner

Wenn man sich den Audioguide „Ligna Warten: Ein Audio Guide ins Nichtstun“ hören will, lädt man ihn sich am besten aufgrund der Größe vor dem Besuch herunter. Er ist Teil des künstlerischen Projekts,  kann aber auch an anderen Orten angehört werden.

Das RischArt Projekt „Warte-Zeit“ wurde kuratiert von Katharina Keller und ist noch zum 19. Juli 2015 zu sehen.

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Die Kunst des Wartens

München
Deutschland

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