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Geschichtsstunde im Volkstheater

Christian Stückl inszeniert den "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhut am Münchner Volkstheater.

Auf dem Spielplan des Münchner Volkstheaters steht seit letztem Mittwoch nun ein wieder eine Inszenierung des Hausherrn Christian Stückl. Der Intendant, der sich in seinen Arbeiten immer wieder mit dem Thema Glauben beschäftigt, inszeniert das Stück von Rolf Hochhut „Der Stellvertreter“. In den sechziger Jahren ein Skandalstück hat dieses christliche Trauerspiel nichts von seiner Unbequemlichkeit eingebüßt. Es thematisiert die Rolle der katholischen Kirche im zweiten Weltkrieg. Es handelt vom Zuschauen des Papstes Pius XII. und seinem Nichteingreifen bei den Massenvernichtungen der Juden durch die Deutschen.

Der Stellvertreter
Der Stellvetreter, Münchner Kammerspiele | Foto: Arno Declair

Angelegt ist der Text dokumentarisch, was auch zunächst die Inszenierung beherrscht. Zwar erfindet Stückl geschickt eine zeitgenössische Rahmenhandlung mit zwei Geschichtsstudenten, deren Fragestellungen sich mit dem ursprünglichen Stück vermischen. Dies jedoch reicht nicht aus um die Aneinanderreihung der geschichtlichen Grausamkeiten aufzulockern. Erst nach der Pause gelingt es den Schauspielern mit der Handlung wirklich zu verschmelzen. Aus der Geschichtsstunde wird ein echtes Drama, dass Assoziationen mit der Leidensgeschichte Christi weckt. Pater Riccardo, gespielt von Pascal Riedel, macht sich zum Märtyrer indem er sich selbst, nach vergeblichen Protest gegen das Regime, ins KZ begibt. Mit nacktem Oberkörper und selbst aufgemalten Judenstern steht er tropfnass auf der Bühne. Alles läuft auf die Frage zu, wo war Gott und warum hat er seine Vertretung auf Erden, den Papst, wegsehen lassen? Vor allem da die Kirche seit jeher ein Hort des Wissens war, was sich auch im Bühnenbild, einer Bibliothek, spiegelt. Stattdessen übernehmen Mad Scientists wie es der Lagerarzt Josef Mengele einer war – hier beachtlich verkörpert durch Oliver Möller – die Führung. Als der Zuschauer am Schluss wieder in die Gegenwart der Rahmenhandlung geführt wird, fühlen sich Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen erschüttert und gleichzeitig erleichtert, dass der böse Spuk vorbei ist. Die Fassungslosigkeit aber bleibt.

„Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhut

Münchner Volkstheater
Regie: Christian Stückl
Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier

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